24 Jahre jung ist Nicole Brunner. Sie ist eines der Gesichter der aktuellen Arbeitgeberkampagne der Betagtenzentren Emmen AG (BZE AG) und gibt uns Antworten auf die Fragen, was eigentlich der Unterschied zwischen Akut- und Langzeitpflege ist und warum junge Fachkräfte immer öfter auch den Weg in diesen Pflegebereich finden.
Zum Zeitpunkt der Kampagnenerstellung 2021 war Nicole Brunner noch mitten in der Ausbildung zur Pflegefachfrau HF. Mittlerweile darf sie stolz auf ihren erworbenen Abschluss zurückblicken. Seit Anfang August hat sie sich für eine verantwortungsvolle Funktion bei der BZE AG qualifiziert und formt ihre Karriere so weiter. Sie ist für die sogenannte Pflegebedarfsabklärung verantwortlich – eine mehrheitlich administrative Aufgabe, die zur Entlastung der Pflegemitarbeitenden ganz neu eingeführt wurde und sich mit der Pflegeinstufung der Bewohnenden auseinandersetzt. Die andere Hälfte ihres Arbeitspensums ist Nicole Brunner nach wie vor im praktischen Pflegealltag tätig; dies als Mitarbeitende des Springendenpools im ganzen Emmenfeld Betagtenzentrum.
Funktionspflege: heilen und entlassen
Um gleich einige Unklarheiten auszuräumen: Einen Ausbildungsunterschied für die Pflege im Akutbereich – also im Spital – oder im Langzeitumfeld – also in einem Alterszentrum wie der BZE AG gibt es keinen. Je nach Arbeitsort hat man für den besagten Bereich mehr Praxiswissen, das sei aber alles. Natürlich, die Arbeitsabläufe seien schon unterschiedlich. So fordert der Akutbereich mehr medizinaltechnische Arbeiten wie Blutentnahme, Infusionen stecken oder komplexe Verbandwechsel bei gleichzeitig schnell wechselnden Patienten; dies in engmaschigen Strukturen, in denen jeder seinen Part zum funktionierenden Gesamtapparat beiträgt. Man befindet sich in einer «kompetenzabgestuften Funktionspflege», wie es die Fachfrau Brunner nennt, wo Heilung und baldige Entlassung im Zentrum stehen.
Bezugspersonensystem: begleiten und mitentscheiden
Der Langzeitbereich hingegen verfolge ein anderes System, nämlich das der Bezugsperson, welches nicht selten im «Nachgang» der Funktionspflege im Spital im Alterszentrum zum Zuge kommt. Bei der BZE AG heisst diese Bezugsperson Pflegeberaterin resp. Pflegeberater. Dazu Nicole Brunner: «Mich hat dieses «Nachher» der Patientinnen und Patienten interessiert. Was passiert langfristig mit den Krankheitsbildern, welche die Bewohnenden mitbringen? Bei Diabetes beispielsweise wird im Spital das Insulin eingestellt, in der Langzeitpflege arbeitet man dann mit den langfristigen Auswirkungen von Niereninsuffizienz oder Gefühlsverminderungen in den Extremitäten. Mehrere Faktoren zusammen ergeben eine spannende medizinische Komplexität. Der Langzeitprozess ist wie ein Puzzle, das man langsam zusammensetzt.» Schmunzelnd fügt Brunner hinzu: «Und wir können viel mehr mitentscheiden im Langzeitbereich. Wir haben mehr Spielraum, flachere Hierarchien.»
Was ist eigentlich Caring?
Wie der Begriff schon nahelegt, ist bei Pflege im Bezugspersonensystem die Beziehung zwischen Pflegenden und Gepflegten einer der wichtigsten Faktoren. Was die Fachliteratur mit dem Begriff «Caring» ausdrückt, wird in der Langzeitpflege zur Quintessenz. Caring befähigt die Pflegenden nicht nur, mögliche Lösungen für Probleme zu finden, sondern auch ein Verhältnis von Vertrauen aufzubauen, in welchem Unterstützungsleistungen gegeben und angenommen werden können. «Involviertsein» auf verschiedenen Ebenen nennen es Fachkreise. Nicole Brunner nennt es «Vertrautsein», das aufgrund der längerfristigen Aufenthaltssituation möglich wird. «Man kann aufbauen und fängt nicht – wie in der Akutpflege – immer wieder bei null an,» so Brunner. Man kennt seine vier bis acht Bewohnerinnen und Bewohner, für die man Bezugsperson ist. Und Kennen bedeutet Bescheid wissen über Diagnosen und Medikamente, aber auch auf Erfahrungswissen zurückgreifen zu können, was beispielsweise bei wiederkehrenden Schmerzen ganz individuell Linderung verschafft – man weiss, was gestern und vorgestern war und entwickelt eine Idee, wie man morgen reagieren könnte.
Beziehungsarbeit mit viel Feingefühl
Vielleicht noch um eine Vielfaches entscheidender als Diagnostik und Medizin ist wohl die Beziehungsarbeit per se: Die Pflegefachfrauen und -männer kennen die Biografien und die Familienkonstellation der Bewohnerinnen und Bewohner – die Erhebung ebendieser Informationen sind wichtige Arbeitsgrundlagen. Sie sind im Austausch mit den nächsten Angehörigen, um diese am Leben der Bewohnenden teilhaben zu lassen und auch deren Ängsten und Unsicherheiten zu begegnen. Sie verfolgen aber auch den psychischen Zustand der Bewohnerinnen und Bewohner quasi im «Zusammenleben». Es ist ganz viel Beziehungsarbeit, die hier geleistet wird. Jede Interaktion löst etwas aus, bei jeder Begegnung passiert etwas. Nicole Brunner versucht zu erklären: «Wenn ich sehe, dass ein Bewohner, der in seiner Jugend gerne gejasst hat, einen verstimmten Tag hat, dann versuche ich, ihn für die Jassgruppe zu motivieren. Wenn dies dann gelingt und die Laune sich verbessert, trägt dies entscheidend zur Lebensqualität bei. Dem Bewohner geht es dann insgesamt besser.» In der Langzeitpflege ist man so nah am Mensch dran, dass man die Nuancen von Stimmungen, Wohlbefinden und Gesundheitszustand kennt, verfolgt und spürt. Man gestaltet und strukturiert den Alltag der Bewohnerin, des Bewohners mit, erbringt neben pflegerisch-medizinaltechnischen Leistungen viel Zwischenmenschliches. Man koordiniert den Coiffeur-Termin, motiviert zum Spaziergang und kümmert sich um die körperlichen und seelischen Bedürfnisse, soweit jeweils möglich. Man sorgt dafür, dass die Bewohnerin, der Bewohner zu Hause ist und sich jederzeit aufgehoben fühlt. Nicole Brunner: «Man gibt einfach das Herz hinein» – ein Hühnerhautmoment.
Jung und Alt – ein Brückenschlag
Eigentlich leben die Pflegefachfrau und die Bewohnerinnen und Bewohner des Emmenfeld Betagenzentrums in ganz unterschiedlichen Welten, bedenkt man einen groben Altersunterschied von rund 60 Jahren und mehr. Der Generationenaustausch, der in der Langzeitpflege stattfindet, würde der gesamtgesellschaftlichen Entwicklung gut tun. «Man muss seine Kompetenzen irgendwie mehr beweisen, wenn man jung ist und manchmal auch ein wenig gegen das «Grosskindfeeling» ankämpfen, aber es gibt immer wieder gute Gespräche, beispielsweise über Piercings oder Tattoos, aber auch über vergangene Zeiten. Die Bewohnenden sind interessiert an der Jugend, viele sind sehr offen und einfach sich selbst, was wir Jungen wiederum sehr schön finden,» lacht Brunner. «Es ist einfach toll, wenn man die Freude im Gesicht der Bewohnerin, des Bewohners sieht, wenn man wiederkommt.» Daraus darf man schliessen, dass Sinnfragen und -krisen in diesem Beschäftigungsfeld wohl keinen grossen Nährboden finden.
Lebensqualität bis zum Abschied
Einer der Hauptgründe, warum Nicole Brunner sich aktiv für die Langzeitpflege entschied, ist der Wille, den Ältesten unserer Gesellschaft bestmögliche Lebensqualität auf dem letzten Lebensabschnitt zu ermöglichen. «Ich spüre die Zufriedenheit, es geht unseren Bewohnerinnen und Bewohnern gut und zwar bis ganz am Schluss. Es ist schön, Personen auch auf dem ganz letzten Lebensstück bis sie gehen zu begleiten.» Es sind grosse existenzielle Fragen nach Leben und Tod, die für einen jungen Menschen viel Ernsthaftigkeit bedeuten. Vielleicht hilft die Unbekümmertheit der Jugend, dem ethischen Abwägen von Lebenserhaltung und Abschiednehmen zu begegnen. Nicole Brunner nimmt eine pragmatische Position ein und versteht das Ende als natürliche Gegebenheit im Kreislauf des Lebens.
Dieser Beitrag ist ebenfalls erschienen in der Ausgabe 5, September 2022 des Emmenmail.
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